“Das Herrenzimmer” – Geist Genuss Gelassenheit
Wünsch dir was – echt krass!
“Dieses Werk schickt das Universum!”
G. Nervt
“Das Buch habe ich mir schon lange gewünscht!”
G. Lächter
Die folgende Begebenheit ist wahr und keine drei Wochen her. Ich hatte einen Tag, an dem die Arbeit kein Ende nahm und mir der Durchblick verloren zu gehen drohte. In einer Mail an eine Bekannte schrieb ich daher unter anderem: “Ich hätte lieber ein Bein gebrochen als das alles am Hals zu haben.”
Zwei Stunden später lag ich im Krankenhaus auf einem Operationstisch, mit mehrfach gebrochenem Bein und Fuß.
Wäre ich nun ein schlichtes Gemüt würde ich zwischen diesem “Wunsch” und dem Ereignis einen Zusammenhang sehen. Nun bin ich aber kein schlichtes Gemüt und sagte mir daher: es ist erstens eine absolute Dummheit, schwer bepackt eine sehr alte, sehr steile Treppe herunterzugehen, ohne sich dabei festzuhalten (was natürlich doch für ein schlichtes Gemüt spricht), und zweitens haben sich auf der ganzen Welt an diesem Tag sicherlich Hunderttausende die Haxen gebrochen, ohne vorher einen Wunsch abzulaichen.
Womit das Thema eigentlich beendet sein dürfte. Ist es aber nicht, denn schlichte Gemüter, die an so etwas glauben, gibt es zu Hauf.
Da hätten wir meinen Bekannten P. An seinem Auto fiel mir eines Tages das Kennzeichen auf, das, soweit ich mich erinnere, aus mehreren X und einer 7 besteht. Meist haben Leute ja als Kennzeichen ihre Initialen oder die ihrer Kinder, und als Zahl das Datum, an dem Bambis Mutter erschossen wurde, aber P. heißt weder mit zweitem Namen Xaver noch seine Frau Xantia. Also fragte ich, was die Nummer bedeute. P.s Erklärung: mit dieser Nummer würde er immer einen Parkplatz finden, und zuvor würde er noch einen Wunsch ans Universum schicken. Das klang für mich so plausibel, dass ich besser nicht weiter nachfragte.
Inzwischen weiß ich, was es mit diesem Wunsch-ans-Universum-schicken an sich hat. Ein Wissen, das mich schwer am Verstand so mancher Mitmenschen zweifeln lässt. Und das ist offenbar auch zwei alten Hasen aus dem Showbizz so gegangen, Hugo Egon Balder und Jacky Dreksler.
Auf den Punkt gebracht geht es um dies: Du kannst alles haben, Geld ohne Arbeit, Jobs ohne Suchen und Parkplätze ohne Mühe. Und vieles, vieles mehr. Das Universum gibt es dir. Garantiert. Du musst es dir einfach nur wünschen.
Balder und Dreksler haben – wahrscheinlich ständig konfrontiert mit diesem Geschwurbel – ein Buch geschrieben, das man möglichst nur mit absolut dichter Gummihose lesen sollte: Wunschbullshit im Universum. Diesem Buch gelingt mühelos eine Gratwanderung zwischen ernster und fundierter Betrachtung und Kritik auf der einen und gnadenlos alberner Schreibe auf der anderen Seite. Weitgehend ist es in Dialogform geschrieben, was köstliche Pointen liefert.
Den Begriff Bullshit haben die Autoren aus höchst seriöser Quelle übernommen. Der Philosophieprofessor Harry G. Frankfurt schrieb 1986 sein einflussreiches Essay “Bullshit”. Damit bezeichnete Frankfurt den opportunistischen Umgang mit der Wahrheit, um eine beabsichtigte Wirkung zu erzielen. Der Bullshitter wird lügen oder zugleich die Wahrheit sagen. Es ist ihm gleichgültig. Hauptsache, er erreicht sein Ziel. Inzwischen ist “Bullshit” zu einem philosophischen Fachbegriff geworden.
Balder und Dreksler knöpfen sich der Reihe nach als “Wünschelwichte” die Autoren Rhonda Byrne, Pierre Franckh (der auf seinem Foto so ausschaut, als glaube er das tatsächlich, was er verzapft), Bärbel Mohr (“Bärbel Mohrs Buch ist so unreflektiert mystisch, dass jeder steinzeitliche Jungschamane dafür aus der Höhle geprügelt würde.”), Esther Hicks und Kurt Tepperwein, der 2005 wegen Missbrauch von Titeln, Berufsbezeichnungen und Abzeichen rechtskräftig verurteilt wurde (er firmierte gerne als Prof. Dr. phil.) vor. Alle diese Autoren und ihre Wünschel-Ideen lassen sich auf eine lange Reihe von Wirren, Verstrahlten und Scharlatanen zurück führen, was B&D ausgiebig tun und fundiert nachweisen, dass moderne Wünschelwicht-Theorien viele Elemente diverser, bis ins 15. Jahrhundert zurück reichenden Welt-und Geldanschauungen enthalten. Nix “Secret”, wie die Autorin Rhonda Byrnes ihre angebliche Entdeckung der Universumskräfte nennt. Alles uralter Käse. Was Balder und Dreksler gleich noch für einen Rundumschlag gegen esoterisches Geraffel aller Art nutzen. Kein Wunder, dass zahlreiche Aussagen in den Wünschelwichtwerken sich aufs Haar gleichen, man schreibt einfach von einander ab, wie eh und je. Nach dem Prinzip der stillen Post kommt dabei dann immer wirreres Zeug heraus.
Es ist zum Teil unglaublich, was die Wünschelwichte ihren Lesern ins Hirn drücken möchten, da wimmelt es nur so von verdrehten Fakten, die man durch simples Internetstöbern hätte vermeiden können. Auf der einen Seite will man die Quantenphysik verstanden haben, auf der anderen weiß man simpelste Daten nicht (Pierre Curie unternahm angeblich 1932 noch Experimente, da war er schon 27 Jahre lang tot), und es werden “Fakten” aufgetischt, die so unfassbar unfassbar sind wie dies: “Es lassen sich sogar völlig drahtlos Daten von einem PC auf den anderen übertragen. Die Computer können offenbar direkt über ein kosmisches Hintergrundfeld online gehen, und möglicherweise ist dies ein Erklärungsansatz für das, was Universumsbesteller tun: nämlich sich über kosmische Hintergrundfelder Informationen aus der Ganzheit holen.” Schreibt Bärbel Mohr 2007! Sie sollte sich den Begriff W-LAN mal von einem Zehnjährigen erklären lassen.
Man nehme:
1 Pfund Christengott oder Pantheismus
1 Pfund Naturwissenschaft
1 Pfund positives Denken
1/4 Liter Spiritismus
400 g zerkleinerten Hermes Trigestimus
250 g Hindumus
1 Stange Mesmer
150 g Hegel- oder Schelling Essenz
1 Stich jüdische Kabbala
2 Prisen Mystik
und Saft von 3 ausgepressten Theosophen
Die Masse in einer nicht zu kleinen American-Dream-Form in einen magischen Backofen geben und unter ständigem positiven Denken zwei Stunden bei mystischer Oberhitze meditieren lassen, mit Wunschdenken bestreuen und alles mit glücklichem Lächeln servieren.
Wunschbullshit im Universum ist ein köstliches Buch. Man kommt aus dem Staunen gar nicht mehr heraus, wenn man liest, was einem die Wünschelwichte alles als Wunder verkaufen wollen (Pierre Franckh gelang es sogar einmal, ein 110.000 Euro teures, fabrikneues Auto für 77.777 Euro zu verkaufen!) Balder und Dreksler liefern auf unvergleichbar amüsante Art Fakten, die jeden Wünschelwicht zum Rumpelstielzchen machen. Nur zwei Dinge gibt es zu kritisieren: man hätte dem Buch einen professionellen Setzer gewünscht sowie einen Lektor, leider gibt es doch reichlich Schreibfehler. Was man aber angesichts des mehr als schrägen Inhalts locker verzeihen kann. Und ich hätte mir gewünscht, dass die Autoren mit den Wünschelwichten noch schonungsloser umgegangen wären, da diese angesichts von Armut, Arbeitslosigkeit und Aids behaupten, daran seien die Betroffenen selber schuld. Das ist nicht nur Quatsch, das ist eine zynische Unverschämtheit, was man – so drollig sie auch sein mögen – den Wünschelwichten ins Gesicht schreien sollte.
Jacky Dreksler zur Motivation, das Buch zu schreiben: »In unserem Business gilt: Wirkung und Quote ist wichtiger als Wahrheit und Wirklichkeit. Wir schneiden Lacher in unlustige Comedy-Acts, reduzieren differenzierte Experten-Aussagen auf Ein-Satz-Statements, lassen arme Würstchen von Schlagerstars zusammenscheißen, zeigen Ärsche, Titten und Tränen unter dem Vorwand einer Model-Show oder werfen dem Publikum in Nachmittags-Freakshows fernsehgeile Debile zum Fraß vor. Mit anderen Worten: Wir Fernsehmacher produzieren Bullshit und sind daher sowas wie Bullshit-Experten. Als Profis erkennen wir Bullshit oft schneller als andere. Wir vermuten: Auch die Extrem-Wünscher wollen Kohle verdienen und arbeiten daher mit ähnlichen Mitteln wie wir.«
Wunschbullshit bei rette-sich-wer-kann
“Wünschen” ist gerade ein heißes Thema. Was ist wirklich dran? Ist es Wunsch-Bullshit oder funktioniert es, und wenn ja, wann und wie? Dieser Frage gehen Hans-Peter Zimmermann und der Informatik-Professor Dr. Robert Pucher im Video-Gespräch nach…