Wir sagen: Viel von dem was Byrne, Franckh, Moor und Tepperwein sagen ist Bullshit. Aber was ist das?

Bullshit-Definition von Prof. Harry G. Frankfurt

Der Philosophie-Professor an der US-Elite-Uni Princeton, schrieb 1986 sein einflussreiches Essay »Bullshit«. Mit dem Begriff bezeichnete Frankfurt den opportunistischen Umgang mit der Wahrheit, um eine beabsichtigte Wirkung zu erzielen.
»Niemand kann lügen, sofern er nicht glaubt, die Wahrheit zu kennen. Zur Produktion von Bullshit ist solch eine Überzeugung nicht erforderlich. Wer lügt, reagiert auf die Wahrheit und zollt ihr zumindest in diesem Umfang Respekt. […] Der Bullshitter ist außen vor: Er steht weder auf der Seite des Wahren noch auf der des Falschen. Anders als der aufrichtige Mensch und als der Lügner achtet er auf die Tatsachen nur insoweit, als sie für seinen Wunsch, mit seinen Behauptungen durchzukommen, von Belang sein mögen. Es ist ihm gleichgültig, ob seine Behauptungen die Realität korrekt beschreiben. Er wählt sie einfach so aus oder legt sie sich so zurecht, dass sie seiner Zielsetzung entsprechen.« (Harry G. Frankfurt: Bullshit. Suhrkamp Verlag, 1. Aufl. 2006. Original-Titel: »On Bullshit«., S. 63)

Beispiel für eine klassische Bullshit-Argumentation bei Rhonda

Angenommen jemand fragt mich skeptisch: »Kann ich mit dem Gesetz der Anziehung wirklich sein oder haben, was ich will?« Dann wäre es überzeugend, wenn ich antworten könnte: »Aber natürlich! Der große Physiker Einstein hat Großes geschafft, weil er das »Gesetz der Anziehung« kannte und anwandte (das heißt, er wünschte sich was, glaubte dran und bekam es). Das schaffst du damit auch.« Wenn mein Gegenüber Beweise will, zeige ich ihm, auf welcher Seite das in welchem Buch Einsteins steht. Beweis erbracht. Fall erledigt. Punkt. Aber Rhonda Byrne hat ein solches Argument wohl nicht, darum macht sie etwas, worin wir Fernsehleute ja Experten sind – sie bastelt eine gut klingende Story zusammen, die uns diesen Schluss gefühlsmäßig nahelegen soll. Rhonda:
»Der große Wissenschaftler Albert Einstein revolutionierte unsere Sicht von Zeit, Raum und Schwerkraft. Angesichts seiner ärmlichen Herkunft und schwachen Anfänge hätte man es für unmöglich gehalten, dass er einst all das erreichte, was ihm gelang. Einstein wusste sehr viel von dem Geheimnis …« (Rhonda Byrne, The Secret, S. 100)
Großartige Schlagzeile: »Gesetz der Anziehung macht lernbehinderten jüdischen Betteljungen zum Nobelpreisträger«. Damit wäre das Gesetz in den Adelsstand erhoben worden: Seht her, was es kann! Klingt alles auch plausibel – man weiß ja, dass Einstein ein schlechter Schüler war. Die Geschichte hat nur einen Schönheitsfehler: Sie ist falsch. In dem kurzen Zitat sind laut Online-Lexikon Wikipedia, Stichwort »Einstein«, schon mal zwei Fehler versteckt:
»Die Familie zog […] bereits kurz nach der Geburt Alberts 1880 nach München, wo sein Vater und sein Onkel eine eigene Fabrik für elektrische Geräte (Elektrotechnische Fabrik J. Einstein & Cie.) gründeten. Die Firma seines Vaters war für das erste elektrische Licht auf dem Münchner Oktoberfest verantwortlich und verkabelte auch Teile des Münchner Stadtteils Schwabing. […] Seine Leistungen waren gut bis sehr gut, jedoch weniger gut in den Sprachen, aber herausragend in den Naturwissenschaften.« (Unsere Hervorhebungen)
Einstein hat die Physik revolutioniert? – Ja, aber das ist aber auch das Einzige, was in Rhondas Story stimmt. Ärmliche Herkunft? Falsch! – Schwache Anfänge? Falsch. – Einstein hat »das Geheimnis« (wünschen–glauben–erhalten) für seinen Erfolg angewandt? – Durch die fehlende Quellenangabe ist diese letzte Behauptung eine Zumutung (Wünschelwichte nennen grundsätzlich keine Quellen ihres »Wissens«). Wer die These von Einsteins Kenntnis des Gesetzes widerlegen wollte, müsste sämtliche Werke des Physikers lesen (allein 45000 Dokumente lagern im Einstein-Archiv in Jerusalem!) und dazu noch die seiner wichtigsten Biografen. Oder er müsste wie wir das Riesenglück haben, Karen Kellys Buch The Secret of »The Secret« kurz vor unserer Manuskript-Abgabe in die Finger zu bekommen und darin auf Seite 176 zu lesen, was Einstein 1936 einem Kind antwortete, das ihn fragte, ob Wissenschaftler beten:
»[…] ein forschender Wissenschaftler wird kaum […] glauben, dass Ereignisse durch ein Gebet beeinflusst werden können, das heißt durch einen Wunsch, der an ein übernatürliches Wesen gerichtet ist.« (Unsere Übersetzung)
Einstein »wusste« vom Geheimnis? Falsch. Alles Bullshit oder was? – Help me Rhonda!

Viel ist schon getan, mehr bleibt noch zu tun, sprach der Wasserhahn zu dem Wasserhuhn (Robert Gernhardt)